VÖLKERFÜHRUNG FÜR DEN MONAT JULI

Monatsbetrachtung von Dr. Pia Aumeier

KLEINER ÜBELTÄTER - GROSSE WIRKUNG

Nachschaffungszellen
Abb.1 Alarm für "Langschläfer"! Wo Krüppel und Milben auf erwachsenen Bienen bereits Mitte Juli zu finden sind, wurde meist die vorjährige Varroabehandlung nicht konsequent durchgeführt.

„50% Völkerverluste schon vor dem Winter!“, das ist inzwischen die mit schöner Regelmässigkeit wiederkehrende Horrorbotschaft vieler Imkervereine zum Jahresende. Gerade starke Völker, die im Juli und August das Futter noch zügig abgenommen hatten, bestehen im September bei manchem Bienenhalter nur noch aus einem Häuflein Elend auf kranker Brut. Schnell sind die Übeltäter an die Wand gestellt: je nach Gusto können Betroffene und Presse zwischen bekannten oder bisher namenlosen Krankheitserregern, Pestiziden, Gentechnik, Monokulturen, Handystrahlen, überzüchteten Bienenrassen, mangelnder Vitalität, Stress, Klimaerwärmung oder Dominoeffekt wählen. Nur der Imker selbst ist sich meist keiner Schuld bewusst. Vireninfektionen können nach neuesten Erkenntnissen zum Völkertod beitragen, schliesslich sind Brutschäden und verkrüppelte Bienen (Abb.1 und 2) meist ein untrügliches Zeichen des bevorstehenden Untergangs. Tatsächlich sind viele Viren jedoch permanent in den Bienenvölkern nachweisbar und offenbar meist schadlos. So bleiben Bienen, die das Verkrüppelte-Flügel-Virus schon als Ei, durch das Sperma oder durch Futtersaft erhalten haben, völlig gesund. Wird das Virus jedoch durch einen saugenden Parasiten wie Varroa direkt ins Bienenblut übertragen, können die typisch verkrüppelten Flügel auftreten. So lautet auch der aktuelle Rat der Virenexperten: „Wer konsequent und planvoll Varroa-Milben eliminiert, schaltet so den Übertragungsweg von gefährlichen Virusinfektionen aus und hilft seinen Bienen zu überleben. “Damit übereinstimmend zeigen alle seriösen Studien der letzten Jahre: dramatische Winterverluste wie etwa 1995/1996, 2002/2003, 2005/2006, 2007/2008 oder 2009/2010 waren das „dicke Ende“ einer Reihe von imkerlichen Nachlässigkeiten in Bezug auf einen mächtigen Feind: die Varroa-Milbe.

Geschädigte Brut
Geschädigte Bienenpuppe

Abb.2 Auffällig geschädigte Brut bei meist starkem Varroabefall. In diesen Zellen entstehen keine gesunden Winterbienen.

 

SCHRECKGESPENST IM SCHLARAFFENLAND

 

Der Milbe selbst ist dabei gar kein Vorwurf zu machen. Auf ihrem Ursprungswirt, der Östlichen Honigbiene in Südostasien, ist sie ein harmloser Schmarotzer, der zwar auf Kosten der Bienen lebt, diese jedoch nicht wesentlich zu schädigen oder gar zu töten vermag. Der Hauptgrund: auf den widerstandsfähigen Bienen kann Varroa sich nur in männlicher Brut fortpflanzen. Diese wird nur unregelmässig und in kleinen Mengen aufgezogen. Zudem schwärmen die meist kleinen Völker häufig und verlassen bei starkem Befall mit Parasiten oder Krankheiten geschlossen ihre Heimstatt, lassen dabei die „verseuchte“ Brut zurück. Damit tun asiatische Bienen, was in Varroa-Bekämpfungskonzepten empfohlen wird: Varroa nicht in Drohnenbrut vermehren lassen, Ableger bilden und dadurch den Milbendruck verteilen, auf Wabenhygiene achten!

 

Welch Schlaraffenland herrscht dagegen für die Milbe in europäischen Völkern, die überhaupt erst durch menschliche Aktivitäten in die Reichweite des Parasiten gelangten. Beim neuen Wirtstier ist plötzlich auch Arbeiterinnenbrut ein „gefundenes Fressen“, das noch dazu über fast das ganze Jahr in rauen Mengen zur Verfügung steht. Aus nur einer Milbe können so in nur einem Jahr etwa 100 entstehen.

KATZENJAMMER VORBEUGEN

Eindeutig Varroa-resistente Bienen, die wie die asiatischen Bienen dauerhaft mit der Milbe überleben können, sind in Europa leider noch Zukunftsmusik. Umso bedeutender für eine Gesunderhaltung unserer Völker ist die gezielte und umsichtige imkerliche Hilfe zur rechten Zeit.


In europäischen Bienenvölkern befinden sich während der Brutsaison bis zu 80% der Milben ständig zur Vermehrung in der Brut. Selbst wenn konsequent Drohnenbrut geschnitten wird, nimmt die Milbenpopulation über die Bienensaison stark zu. Solange nur Sommerbienen parasitiert werden, führt das selten zu irreparablen Schäden. Ein normal starkes Volk von etwa 20’000 Bienen erträgt bis Mitte August problemlos 10’000 Milben. Danach wird solch hoher Befall jedoch kritisch, denn in den knapper werdenden Brutzellen tummeln sich häufig gleich mehrere produktionswillige Muttermilben. Viele der so befallenen Jungbienen leiden durch den Blutverlust und beim Milbenstich übertragene Krankheitserreger unter Missbildungen und werden nur wenige Tage alt. Bei nur oberflächlicher Wabendurchsicht fallen diese Symptome gerade in starken Völkern leider kaum auf. Betroffene Imker werden dann durch vermeintlich „unerklärliche“ Volkszusammenbrüche überrascht.


Wird ein solch stark befallenes Volk jedoch rechtzeitig, das heisst vor der Aufzucht der Winterbienen ab Ende August, von seiner Milbenlast befreit, entwickelt es sich normal weiter. Der starke Befall der Sommerbienen hat dann keine nachhaltige Schädigung der von ihnen aufgezogenen Winterbienen zur Folge.

Windel nur 3 Tage einlegen

Abb. 3a und 3c: So nicht! Papierne oder wochenlang eingeschobene Windeln sind für eine verlässliche Erfassung des Milbentotenfalls nicht geeignet.

 

VARROA IM GRIFF - ABER WIE?

 
 
 

„Kein einziges Volk im Winter verloren!“, diesen stolzen Satz höre ich erstaunlicherweise gerade von meinen vermeintlich ahnungslosen Neuimkern. Ihr Erfolgsrezept: stark eingewinterteVölker, ausreichend geeignetes Winterfutter und niedriger Varroa-Befall. Ihre effiziente Milbenbekämpfung besteht aus einem Dreierpack: Drohnenbrutentnahme, Ameisensäure vor und (wo nötig) nach der Auffütterung im August/September und Oxalsäure bei Brutfreiheit im Winter. Verschiedene wirksame Mittel werden also miteinander kombiniert, jedes zum Zeitpunkt seiner optimalen Wirksamkeit eingesetzt.

 

Stur nach einem vorgegebenen Bekämpfungs-Zeitplan verfährt jedoch kein mündiger Imker. Schliesslich können sich selbst Völker eines Standes in ihrem Milbenbefall erheblich unterscheiden. Manch eines ist nach überraschend hohen Vermehrungsraten von Varroa bereits Ende Juli – und damit früher als gewohnt - dem Tode nah. Anderen Völkern mit minimalem Befall hingegen kann man eventuell sogar jegliche Behandlung ersparen. Wer den Varroa-Befall seiner Völker im Blick behält, kann sein Behandlungskonzept optimieren und muss nicht im Blindflug behandeln.

 
Varroa Totenfall zum Auszählen
Abb.3f Helle (Pfeile) und dunkle Milben zählen, dann durch die Anzahl der Diagnosetage teilen. Dies ergibt den "natürlichen Milbenfall pro Tag", der Auskunft über die Notwendigkeit einer Behandlung gibt.
Ohne Bienenkontakt ist die Varroadiagnose ganz einfach.
Abb.3b: Windeldiagnose einfach und zuverlässlich: unter den Gitterboden wird von hinten eine helle Plastikeinlage ohne Bienenkontakt eingeschoben.

MILBEN HINTER GITTER

 
 
 

Am wenigsten Zeit und Material investiert, wer die Anzahl der im Volk vorhandenen Varroa-Milben durch eine Gemülldiagnose abschätzt. Als Voraussetzung für effizientes Arbeiten und verlässliche Daten sind nur wenige elementare Punkte zu beachten:

  • Das Gemüll darf den Bienen nicht zugänglich sein. Lose ins Flugloch geschobene Papierbögen (Abb.3a), die noch dazu nicht den vollen Boden abdecken, liefern keine brauchbaren Werte! Da hilft auch kein Einfetten.
  • Milbendiagnose muss Spass machen! Wer um die Diagnosewindel einzuschieben oder zu entnehmen, stets am Flugloch hantieren oder seinen Boden mit Häkchen und Kläppchen von hinten öffnen muss, oder im Bienenhaus Völker heben und rücken muss, der kassiert unweigerlich Stiche…und verliert damit schnell die Lust. Die Lösung: ein Gitterboden (Maschenweite 3mm), unter den von hinten bienendicht eine Windel eingeschoben werden kann (Abb.3b). Und das jederzeit und ohne Einsatz von Rauch. Das Gitter sollte Ameisensäure und hungrigen Mäusen dauerhaft standhalten.
  • Wer wie ich schlecht sieht, nutzt weisse Windeln, von denen sich die dunklen Milben besonders gut abheben. Meine Plastikwindeln verziehen sich auch bei feuchtem Wetter nicht, sind einfach zu reinigen und platzsparend zu stapeln.
  • Die Windeln sollten einen Randhaben. Sonst besteht Gefahr, dass die vom Wind in die Ecken gewehten Milbenhäufchen beim Ziehen der Windel herunterpurzeln.
  • Windeln zur Befallsdiagnose für genau 3 Tage einschieben. Nicht kürzer, da der Milbenfall von Tag zu Tag schwankt und erst nach diesem Zeitraum aussagekräftige Daten liefert. Aber auch nicht länger, denn dann treten Ameisen oder Wachsmotten in Aktion, die auch Milben wegschleppen oder fressen (Abb.3c). Läuft gerade weder eine Diagnose noch eine Ameisensäure-Behandlung haben die Windeln im Boden nichts zu suchen. So gewöhnen sich Ameisen auch nicht an eine ständige Futterquelle.
  • Das Auszählen der Milben ist leichter, wenn man die Gesamtfläche mit Farbmarkierungen in Bahnen unterteilt (Abb. 3d). Mit einfachen Hilfen für „Sehbehinderte“ (Abb. 3e, Autor: Friedrich Pohl) kann JEDER die doch recht grossen Milben erkennen.
  • Alle Milben zählen, sowohl die dunklen Muttermilben (hier 25 Stück), als auch die hellen Tochtermilben (Pfeile, hier 3 Stück, Abb. 3f), den Wert durch die Anzahl der Diagnosetage (hier z.B. 3) teilen, ergibt den natürlichen Milbenfall pro Tag.
 
Varroa zählen mit Hilfsmitteln
Abb.3d+e Wer seine Windeln in Bahnen einteilt und bei Bedarf eine Sehhilfe nutzt, zählt auch die 1.4mm kleinen Varroamilben sicher.

Zwischen der Anzahl der pro Tag an „Alterschwäche“ oder nach Einwirkung der Bienen gestorbenen Milben und der im Volk vorhandenen Gesamtzahl leben der Milben besteht ein Zusammenhang. Er ist abhängig von der Menge der Brut, dem Befallsgrad, sowie von der Jahreszeit. Alle Faktoren, die für Milben lebensverkürzend wirken (viel Brut im Sommer und damit viele Möglichkeiten sich zu vermehren, hoher Milbenbefall und damit für die Einzelmilbe schlechtere Bedingungen) senken den Umrechnungsfaktor. In der Grafik sind all diese Faktoren berücksichtigt, sodass sie aus ihr verlässliche Werte ablesen können (Abb. 4, verändert nach Liebig, 2002).

PLANVOLL HANDELN - GESUNDE VÖLKER ÜBERWINTERN

Zargenturm zum Reinigen der Honigwaben
Abb.5 Die geschleuderten Waben werden von den Bienen gereinigt
 
 
 

Planvoll handeln – gesunde Völker überwintern
Anders als häufig empfohlen lasse ich mir nach dem Abschleudern der Altvölker gegen Mitte/Ende Juli mit dem Einfüttern, Einengen und der Varroabehandlung bis Mitte/Ende August Zeit. Der Grund? Einfachere Beurteilung der Überwinterungsreife und erheblich erleichterte Wabenhygiene! Nach der Honigernte sitzen meineVölker auf 3 Zargen. Die unteren beiden Bruträume enthalten Waben, die bereits 2½ bzw. 1½ Jahre bebrütet werden. Die oberste Zarge bisher unbebrütete Ex-Honigwaben, zu denen die Königin erst jetzt im Juli nach Entfernen des Absperrgitters Zugang erhält. Bis zum Beginn der Spätsommerpflege (Mitte/Ende August) schrumpft das Brutnest der Wirtschaftsvölker so stark, dass die untere Zarge mit den ältesten Waben nun meist völlig brutfrei ist und komplett entnommen werden kann. Wird diese Methode jedes Jahr wiederholt, sitzen meine Bienen ohne mühseliges Suchen entnahmereifer Waben stets auf frischem Bau. Voraussetzung für diese elegante Vorgehensweise: 1) Die Bruträume bleiben beim Abschleudern unangetastet, sodass denVölkern auf den Randwaben mindestens 4 kg Futter verbleibt. So kann ich sorglos ohne Notfütterung 3 - 4 Wochen verstreichen lassen. Jede Fütterung drückt die Bienen weiterhin in die untere Zarge, die dann nur mit Mühe entnommen werden kann. 2) Eine 3-tägige Windeldiagnose direkt nach dem Abschleudern gibt mir Auskunft über den aktuellen Milbenbefall. Monatlich verdoppelt sich die Milbenzahl. Um schadlos abwarten zu können, sollten Altvölker Ende Juli nicht mehr als 10 Milben pro Tag und Jungvölker nicht mehr als 5 Milben pro Tag verlieren. Diese Werte werden bei meinen Völkern nur selten überschritten. Gut so, denn eine so frühzeitige Not-Behandlung erfordert umständliches Einengen der Altvölker und Brutschäden bei den Jungvölkern.

 
Auswertung des Milbentotenfalls
Abb.4 Zusammenhang zwischen "natürlichem Milbenfall pro Tag" und Gesamtbefallsgrad des Bienenvolkes. Fallen Ende Juli täglich 30 Milben tot in die Windel, sind noch über 6'000 lebende Varroen im Volk.
Vergleich Totenfall und Bienenproben
Abb.6

 
 
 

Checkliste - DAS können Sie sich im Juli schenken!

 

  • Klebrige Honigwaben im Lager. Stattdessen Honigwaben auf starken Völkern über Leerzarge für 1 Woche putzen lassen (Abb.5). Unbebrütet (durch Absperrgitter) und trocken bieten sie weder Wachsmotten noch Ameisen Futter.
  • Honigwaben vor dem Aufsetzen befeuchten. Trinken SIE Ihr Bier mit Wasser?
  • Völker vereinigen oder Königinnen austauschen. Zu früh! Jungvölker entwickeln sich am besten, wenn sie bis September ungestört bleiben. Auch für Altvölker gilt: je später die Vereinigung, desto stärker die resultierende Wintertraube.
  • „Reizfütterungen“. Nachgewiesenermassen ganz und gar wirkungsloser Mehraufwand.
  • Diagnose des Milbenbefalls durch Auswaschen von Bienen- oder/und Brutproben. Im Vergleich zur oben beschriebenen Windeldiagnose extrem aufwändig, mit dem unnötigen Tod von Bienen und dem Durchlöchern von Brutwaben verbunden, und ausserdem weniger empfindlich (Abb.6).
  • Noch zappelnde Milben auf den Diagnosewindeln töten, damit sie nicht aus dem Gras zurück ins Volk laufen. Das schaffen die NIE!
  • Gejammer über die unbequemen Resultate der Bieneninstitute zumThema winterliches Völkersterben. Fakt ist: 95% aller toten Völker gehen auf das Konto des Imkers und seiner mangelnden Konsequenz bei der Varroa-Diagnose und -Bekämpfung! Ritterlich wäre: aus seinen Fehlern lernen!